Redebeitrag auf dem CSD Chemnitz.
27/07/2025
Der Redebeitrag von Katrin Münch, stellvertretende Vorsitzende von LiSL Mitteldeutschland und Vorstandsmitglied bei LiSL Deutschland auf dem CSD in Chemnitz:
Hallo liebe Alle,
mein Name ist Katrin Münch, ich bin Autistin und trans*Frau. Ich stehe heute hier als Bundesvorstandsmitglied von LiSL – der liberalen Vorfeldorganisation der FDP, als Kreisvorsitzende der FDP Mittelsachsen und spreche im Namen der FDP Chemnitz.
Und ich sage euch: Es ist Zeit für Sichtbarkeit, für Stolz – und für konkrete politische Verantwortung.
Heute ist ein besonderer Tag. Wir sind hier, um zu feiern – uns selbst, unsere Vielfalt, unsere Geschichten. Aber wir sind auch hier, um laut zu sein. Sichtbarkeit ist kein Angriff. Vielfalt ist kein Risiko. Denn unsere Rechte, unsere Sicherheit und unsere Freiheit ist kein Nice-to-have und auch nicht verhandelbar. Sie sind ein Menschenrecht.
Im Jahr 2024 wurden laut Bundeskriminalamt 1.765 Straftaten aufgrund sexueller Orientierung und 1.152 Straftaten aufgrund geschlechts-bezogener Diversität erfasst, ein Anstieg um 17,75 % bzw. 34,89 % im Vergleich zum Vorjahr. Dazu kamen 253 Gewaltdelikte gegen queere Menschen, darunter 232 Körperverletzungen, allein in diesen beiden Kategorien. Insgesamt stieg die Zahl politisch motivierter Gewalttaten 2024 auf 4.107 Fälle, ein Plus von über 15 %. Die Zahl der verletzten Personen stieg sogar um ein Drittel: über 2.300 Menschen wurden durch solche Taten gesundheitlich geschädigt. Und auch CSDs selbst geraten zunehmend unter Druck. Allein 2024 gab es 27 organisierte Gegenaktionen durch rechte Gruppen. 2025 wurde in Schönebeck ein CSD kurzerhand untersagt, mit der absurden Begründung, er sei nicht politisch genug. In Gelsenkirchen musste der CSD aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Denn der Raum für queere Sichtbarkeit ist nicht selbstverständlich, sondern umkämpft. Das zeigt: Queerfeindlichkeit ist kein Randphänomen. Sie ist strukturell, sie ist gewaltvoll und sie ist auf dem Vormarsch. Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute hier sind. Sichtbar, laut, miteinander solidarisch. Und ganz klar in unserer Botschaft: Wir lassen uns nicht einschüchtern oder wie das diesjährige CSD-Motto sagt: Nie wieder still.
Wir stehen heute hier – in Chemnitz, einer von zwei Europäischen Kulturhauptstädten 2025. Und das ist eine Chance. Eine Chance für unsere Stadt, zu zeigen: Kultur ist nicht nur Vergangenheit. Kultur ist Zukunft. Und queere Kultur ist Teil dieser Zukunft. Inklusiv, vielfältig, frei.
Denn Kultur – das sind nicht nur Theater und Museen. Kultur ist, wer wir sind. Wie wir leben. Wie wir lieben. Wie wir einander begegnen. Und ob wir Räume schaffen, in denen alle dazugehören – wirklich alle.
Wenn eine Stadt sich „C the Unseen“ auf die Fahnen schreibt – das Unsichtbare sichtbar machen will –, dann muss sie auch queeres Leben sichtbar machen. Denn queeres Leben war und ist Teil dieser Stadt – auch wenn es oft ignoriert, kleingehalten oder angefeindet wurde.
Jetzt ist die Zeit, das zu ändern.
Die, die lange übersehen wurden, gehören endlich in den Mittelpunkt. Wir alle haben das Recht, gesehen zu werden – in unserer Würde, in unserer Vielfalt, in unserer Stärke. Letztes Jahr trat das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Endlich. Ein Schritt nach vorn, auf den viele von uns lange gewartet haben. Für uns ist das kein abstrakter Fortschritt – es ist persönlich. Es war schmerzhaft, was der alte Weg von uns verlangt hat: Fremdbestimmung, Gutachten, Zweifel.
Heute haben wir ein Gesetz, das sagt: Unsere Identität steht nicht mehr zur Verhandlung.
Aber: Ein Gesetz allein schützt nicht vor Transfeindlichkeit. Ein Paragraf allein schützt nicht vor Diskriminierung in Schule, Job oder Alltag. Das können nur wir – gemeinsam. Als Gesellschaft. Als Stadt. Als Community.
Deshalb sage ich: Lasst uns nicht stehenbleiben. Lasst uns weitergehen. Für sichere queere Räume – auch hier, in Sachsen. Für Aufklärung in Schulen, für Schutz vor Gewalt. Für Sichtbarkeit. Für Würde. Für Anerkennung.
Nicht nur in Berlin oder Leipzig – sondern hier, in Chemnitz, in Mittelsachsen, in Zschopau, in Lichtenstein, in Plauen, in jedem Dorf. Auch im ländlichen Raum gehören wir mitten ins Bild – nicht an den Rand.
Queeres Leben ist keine Randnotiz. Es ist Teil dieser Stadt und dieser Region. Teil ihrer Geschichte. Und Teil ihrer Zukunft.
Chemnitz hat Geschichte – und wir sind ein Teil davon. Chemnitz hat Zukunft – und wir gestalten sie mit.
Und ja – wir feiern heute. Und das ist gut so.
Denn unser Stolz ist politisch. Unser Tanz ist Protest. Und unsere Freude ist Widerstand – gegen eine Welt, die uns oft sagen will, wir seien zu viel, zu laut oder fehl am Platz. Aber wir sind nicht zu viel. Wir sind genau richtig. Und wir sind hier, um zu bleiben.
Ich danke euch – für euer Engagement, eure Sichtbarkeit, euren Mut. Chemnitz ist bunt – und das lassen wir uns nicht nehmen.
In diesem Sinne: Happy CSD Chemnitz – für Liebe, Freiheit und Vielfalt! Danke euch.
